Alles Liebe – Familienleben mit einem Gendefekt | Shari & André Dietz mit ihren 4 Kids
André ist ein bekannter Schauspieler und Shari eine erfolgreiche Bloggerin. Beide haben vier Kinder, einen Hund, ein Haus mit Garten und sind so verliebt, wie am ersten Tag. Die beiden hatten immer einen Plan, bis das Leben dazwischen kam: Erst eine lebensbedrohliche Fehlbildung bei der Geburt des ersten Kindes, dann ein Gendefekt bei ihrem zweiten Kind, der seither das Leben der Großfamilie unvorhersehbar macht. Jetzt haben die beiden ihre Geschichte in ein Buch verpackt, dass es ab sofort überall im Handel gibt. Wie sie all das stemmen und in schwachen Momenten den Mut nicht verlieren, verrät uns Shari im Interview und in unserem Mami-Talk & Lesung am kommenden Mittwoch in Köln:
Liebe Shari! Du bist Mutter von vier Kindern, zusammen mit deinem Mann wohnst du in der Nähe von Köln. Wie habt ihr beiden euch kennengelernt?
Über einen befreundeten Fotografen. Der hatte von uns beiden Fotos gemacht und tatsächlichen fanden die ersten Annäherungsversuche in der Kommentarspalte unter einem seiner Fotos auf Facebook statt. Kurz danach hat uns ein anderer Freund bekannt gemacht und dann ging alles ganz schnell: Ein Abend in Andrés Küche, viel Wein, eine erste gemeinsame Nacht und alles war klar.
Ihr habt tatsächlich schon bei eurem allerersten Date über Kinder gesprochen – die meisten Männer zucken bei diesem Thema auch noch nach Jahren in einer Beziehung zusammen. Was hast du in diesem Moment über André gedacht?
Es hat mich nur noch mehr darin bestärkt, dass er DER Mann für mich ist. Natürlich war ich am Anfang vorsichtig. Ich hatte etwas Panik davor, dass ich mich Hals über Kopf in ihn verliebe und er dann nachher nicht ähnlich für mich empfindet. Diese Angst hat sich allerdings schon nach Stunden in Nichts aufgelöst. Wir waren und sind total vernarrt ineinander.
Wie jung warst du, als du das erste Mal schwanger warst? Wolltet ihr schon immer gern viele Kinder haben?
Ich war mit 24 zum ersten Mal schwanger. Ein Traum ist für uns in Erfüllung gegangen, wir haben uns wahnsinnig gefreut! Letztendlich haben wir dann 4 Kinder in 5 Jahren bekommen. Jedes einzelne ist ein absolutes Wunschkind – auch wenn das ein oder andere sich etwas früher als geplant angekündigt hat. Ursprünglich sollten es immer drei werden. Nachdem wir aber für Mari die Diagnose „Angelman Syndrom“ bekommen haben, haben wir uns für ein weiteres Kind entschieden. Weil wir es für Mari toll finden, viele Geschwister zu haben. Weil wir aber auch einfach extrem entspannte Kinder haben und es lieben, eine Großfamilie zu sein.
„Das Leben und unsere Liebe
haben uns stark gemacht.“
Ihr habt gemeinsam ein Buch mit dem Titel „Alles Liebe“ geschrieben. Wie kam es zu der Idee, eure bemerkenswerte Familiengeschichte zu Papier zu bringen?
Nachdem wir mit der Diagnose an die Öffentlichkeit gegangen sind, haben wir gewaltiges Feedback bekommen. Ich habe schließlich begonnen, einen eigenen Blog über mich, über uns und unser Familienleben zu schreiben. Viele Leute haben nach einem Buch gefragt, irgendwann haben uns auch unterschiedliche Verlage angeschrieben. Ja und dann ging alles ganz schnell: Die Idee zum Buch ist im letzten Frühjahr konkretisiert worden und jetzt ist das Buch endlich fertig. Es war eine tolle Zeit und wir freuen uns so sehr auf das Feedback der Leser.
In dem Buch berichtet ihr sehr offen von dem seltenen Gendefekt eurer Tochter Mari. Was genau ist das Angelman-Syndrom und wie seid ihr darauf aufmerksam geworden? Wann habt ihr gemerkt, dass bei Mari etwas anders ist?
Das Angelman Syndrom ist ein Gendefekt auf dem Chromosom 15, bei dem die Kinder schwer geistig behindert sind und ihr Leben lang auf dem Entwicklungsstand eines zwei- bis dreijährigen Kindes bleiben. Mari hat eine Deletion, das heißt ein winzig kleines Stückchen ist abgebrochen. Sie hat sich nicht normal entwickelt: Nicht lautiert, sich erst extrem spät gedreht, konnte lange nicht sitzen, nicht richtig essen und trinken. Wir waren bei unglaublich vielen Ärzten, um herauszufinden, warum Mari so entwicklungsverzögert ist. Letztendlich haben wir die Diagnose dann nach fast zwei Jahren von einem sehr erfahrenen, pensionierten Kinderarzt bekommen, die schließlich ein Genetiker bestätigt hat.
2016 habt ihr euch dann entschieden, öffentlich über den Gendefekt zu sprechen. Wie kam es zu diesem Entschluss und wie fielen die Reaktionen aus?
Ich habe es zunächst komplett ausgeschlossen, in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen. Nicht weil es mir unangenehm ist, vielmehr, weil ich Mari und ihre Geschwister schützen wollte. Man gibt damit automatisch extrem viel von seinem Privatleben preis. André war es, der zu bedenken gegeben hat, dass man damit vielen Familien helfen kann. Dass man auf das Syndrom aufmerksam machen kann, es bekannter machen und sogar Spenden generieren kann. Dass man die Inklusion vorantreiben kann.
Die Reaktionen waren durchweg positiv. Auch wenn ich seltsame Bemerkungen wie „Könnte es ein Impfschaden sein?“ oder „Ich kann ihr Kind mit Gravitationswellen heilen“ nicht unerwähnt lassen möchte 😉
In „Alles Liebe“ erzählt ihr gleichermaßen emotional wie humorvoll, wie ihr den kleinen und großen Katastrophen des Alltags trotzt und als Familie gelernt habt, das Leben zu genießen. Inwieweit möchtet ihr anderen Familien mit eurem Buch Mut machen?
Wir wollen in erster Linie zeigen, wie normal wir sind. Besonders normal. Dass solch eine Diagnose kein Grund ist, um aufzugeben. Es ist immer Licht am Ende des Tunnels! Dass man alles schaffen kann und dass man lernen kann, sich wieder mehr über die kleinen Dinge im Leben zu freuen.
Habt ihr ein „Support Netzwerk“ aus Familie und Freunden? Es ist sicherlich nicht immer einfach, vier Kindern unterschiedlichen Alters gerecht zu werden, oder?
Wir haben Familie und Freunde, auf die wir uns sehr gut verlassen können. „Gerecht werden“ hat mit vier Kindern natürlich eine ganz andere Bedeutung, als mit einem Kind. Jeder bekommt seine Zeit mit uns, aber klar: Eins-zu-Eins-Betreuung ist selten. Dafür geben sich die Geschwister untereinander so viel und es ist schön mitanzusehen, was für ein gutes Team die Kinder sind.
Wie wichtig sind für dich Mamafreundschaften und was ist dir im Austausch mit anderen Müttern wichtig?
Ich habe gemerkt, dass sich Freundschaften verändern, wenn man Kinder hat. Erziehung, Ernährung oder Gesundheit beziehungsweise Medizin haben einen hohen Stellenwert und es ist sehr schwierig, mit anderen Eltern auf einen Nenner zu kommen. Trotzdem habe ich viele gute Freundinnen, die mittlerweile auch Mütter sind, mit denen ich mich austausche.
Du sagst, dass dein Blog für dich dein persönlicher Ausgleich zum Muttersein ist. Etwas, was du nur für dich machst. Worüber schreibst du besonders gern?
Ich liebe es, unser Haus schön einzurichten und darüber zu berichten. Auch wenn ich merke, dass die Leute mehr Interesse an privaten Geschichten haben. Was für mich natürlich auch kein Problem ist!
Was war für dich die größte Herausforderung in den letzten Jahren und was ist ganz grundsätzlich das Anstrengendste am Mama-Sein?
Die Epilepsie-Phasen von Mari. Das bringt mich als Mutter, aber auch uns als Familie an die Grenzen.
Und was ist das Schönste?
Umso schöner ist es dann, wenn diese Phasen vorbei sind und wir Familienzeit genießen können. In unserem Lieblingshotel – die Sonnenalp – Quality Time verbringen.
Das klingt fantastisch! Danke, liebe Shari!
Wir freuen uns schon sehr auf unser nächstes Mami-Connection Event:
MamiTalk mit Buchpremiere: „Alles Liebe. Familienleben mit einem Gendefekt“
Denn am 10. April werden Shari & André in der Buchhandlung Feussner in Köln aus ihrem druckfrischen Buch „ALLES LIEBE – Familienleben mit einem Gendefekt“ lesen. Freut euch also auf einen emotionalen und humorvollen Abend mit Lesung und Interview + Talkrunde. Selbstverständlich werden auch wie wild Bücher signiert :-).
PS: Ein Großteil der Einnahmen fließt auf das Forscherkonto der Angelman Stiftung!
Fotocredit: CATJA VEDDER & ANNETE ETGES