Das Wochenbett | Tipps von Hebamme Nina Kobs
Nina ist seit elf Jahren Hebamme, arbeitet im Kölner Westen und hat Charlotte vor gut zwei Jahren in ihrem zweiten Wochenbett betreut. Für uns hat sie sich Zeit genommen und ganz genau erklärt, was im Wochenbett auf dich zu kommt, was du immer da haben solltest und warum du dich dringend frühzeitig um eine Hebamme kümmern solltest, wenn du schwanger bist.
Liebe Nina, was ist das Wochenbett und was passiert in dieser Zeit?
Das Wochenbett definiert die ersten acht Wochen nach der Geburt. In dieser Zeit ist die Mutter im Mutterschutz und darf nicht arbeiten gehen. Viele Mütter sind sich gar nicht so bewusst, dass es einige Zeit dauert, sich an aneinander zu gewöhnen und sich auf die neue Situation des Mutterseins einzustellen. Natürlich ist es auch eine Zeit der körperlichen Umstellung. Der Körper ist nicht mehr schwanger, aber auch noch nicht so, wie er vor der Geburt war. Es ist eine ganz wichtige Zeit, um anzukommen.
Die ersten zwei Wochen des Wochenbetts bezeichnet man als Frühwochenbett. In dieser Zeit sind die Frauen oft sehr müde, schlafen viel und weinen manchmal auch aus Überforderung. Das wird im Laufe der Zeit dann natürlich besser.
Eine Geburt ist anstrengend – das Erlebnis an sich, aber auch die Zeit, die man während der Wehen ein paar Tage vorher nicht gut geschlafen hat. Nach der Geburt ist alles noch so aufregend. Das Kind will häufig an die Brust. In den ersten 10 Tagen finde ich wichtig: wenig Besuch, einfach im Bett liegen, nur zu den Mahlzeiten aufstehen und einfach ganz viel Ruhe. So circa zwei Wochen nach der Geburt kann man natürlich auch wieder rausgehen.
Warum ist es wichtig, dass man so ausgiebig regeneriert?
Man sich vorher gar nicht so bewusst, aber eine Geburt ist eine sportliche Herausforderung. Man kann es vielleicht mit einem (Halb-)Marathon vergleichen: Eine körperliche Anstrengung, Viele Frauen bekommen tatsächlich Muskelkater danach. Zum anderen laufen ganz viele hormonelle Prozesse ab, die dafür sorgen, dass der Körper beschäftigt ist. Wenn man dann direkt losrennt und wie wild organisiert, klappt man zusammen und hat häufig noch mehr Probleme.
Ich habe vor ein paar Jahren einige asiatische Frauen betreut, bei denen es klassischerweise so ist, dass sie vier Wochen lang gar nicht das Haus verlassen. Ein Verwandter kümmert sich um die frisch gebackene Mutter und die ist nur für sich und das Baby da. Ich habe festgestellt, dass diese Frauen fast nie Milchstau, Heilungsstörungen von Nähten oder Depressionen haben, da sie sich Zeit nehmen. Hier können sich das Frauen überhaupt nicht vorstellen. Alle haben Hummeln im Hintern und wollen nach spätestens zehn Tagen raus. Man sollte vielleicht einen Mittelweg finden. Gerade die ersten zwei Wochen nach der Geburt den Ball wirklich flach halten und erstmal ankommen. Man kann auch einfach mal zusammen im Bett liegen.
Wie kann ich diese Zeit gut vorbereiten und auch meinen Mann und mein Umfeld dabei einbeziehen?
Grundsätzlich finde ich es hilfreich, wenn man Freunden und Familie nicht den errechneten Termin nennt. Der Stress geht ja schon los, sobald man ein paar Tage über dem Datum ist. Ab dem Zeitpunkt ruft dann ständig jemand an und setzt dich unter Druck.
Besuch nach der Geburt sollte man gut dosieren, denn das bedeutet häufig Stress für die Frau. Man sollte also vorher überlegen, welcher Besuch in der Anfangszeit wichtig ist. Und es ist ganz wichtig, dass jemand, z.B. der Partner, in den ersten ein bis zwei Wochen frei hat, sich um den Haushalt kümmern kann und natürlich auch, dass das Paar die Zeit gemeinsam genießen kann, bevor man wieder in den Alltag verfällt.
Wie kann ich beim zweiten Kind im Wochenbett mit einem noch kleinen Geschwisterkind bewusst und gut regenerieren?
Die Frauen fühlen sich oft so zerrissen. Ich finde es gar nicht schlecht, wenn man ein bis zwei Tage auf der Wochenbettstation im Krankenhaus bleibt und nicht ambulant nach Hause geht weil man der Meinung ist, man kennt das alles schon. Solange man im Krankenhaus ist, hat man noch ein bisschen Schonzeit. Zuhause sein mit einem Geschwisterkind ist definitiv anstrengend. Man muss den Spagat schaffen zwischen sich ausruhen und auch für das Geschwisterkind da sein. Ganz gut finde ich Geschwisterkurse. So ab zweieinhalb Jahren geht das ganz gut. Als Mutter muss man keine Angst haben, die Liebe wird mit jedem Kind größer. Es ist nur wichtig, damit klar zu kommen, dass viele Dinge, die man vorher mit dem Kind gemacht hat, nun der Partner erst einmal erledigt. Das ist auch eine super Sache für die Beziehung zwischen Vater und Geschwisterkind. Loslassen können ist ganz wichtig. Man kann nicht schon in der ersten Woche zum Kindergarten und das Kind abholen. Das muss vielleicht erst einmal der Partner oder eine Freundin erledigen. Gerade beim Zweitkind muss einem klar sein, dass das Wochenbett Ruhe bedeutet. Sinnvoll ist es auch, dass das Geschwisterkind die Betreuung, z.B. die Kita, weiter wahrnimmt. Das große Kind bleibt in seiner Regelmäßigkeit, tritt seine Freunde und das Paar hat vormittags Zeit mit dem Baby.
Du hast schon angesprochen, manche Frauen weinen auch in diesen ersten Wochen. Thema „Blues“ – was tun, wenn diese Glücksgefühle gar nicht anhalten oder sogar ausbleiben? Erlebst du das häufig?
Ja genau, meistens haben die Frauen dann ein schlechtes Gewissen. Dieses klassische: „Ich bin gerade traurig und ich weiß gar nicht warum. Ich müsste doch eigentlich glücklich sein“. Manchmal wissen die Frauen auch gar nicht, ob es Tränen der Traurigkeit oder Glückstränen sind. Mein erster Tipp: einfach laufen lassen und gar nicht in Frage stellen. Man kann das ganz sachlich auf der körperlichen Ebene erklären. Nach ein paar Tagen kommt es zu einem Abfall der Hormone und die Frau ist in einer körperlichen Situation, die dafür sorgt, dass man anfälliger für Blues-Gefühle ist. Die Schwangerschaftshormone sind aus dem Körper raus, die restlichen Hormone müssen sich erst wieder einpendeln. Die Frau hängt zwischen den Welten. Das ist ganz normal für das Wochenbett. Der Körper stellt sich wieder neu ein. Es ist vielleicht ein bisschen wie ein paar Tage Pubertät. Schlafen, Zuwendung und darüber reden hilft. Meistens ist es dann nach ein paar Tagen auch gut. Ganz selten entwickeln die Frauen dann tatsächlich eine Wochenbett-Depression. Wenn der Schlafmangel abnimmt, die Frauen wieder regelmäßiger essen und ein bisschen auf sich aufpassen, dann geht das meistens wieder gut.
Wahrscheinlich ist es auch nicht nur deswegen gut eine Hebamme zu haben, die in dieser Zeit regelmäßig kommt.
Ich glaube, es ist wichtig jemanden zu haben, der eine Regelmäßigkeit in die Zeit bringt. Bei manchen Frauen herrscht in den ersten Tagen Chaos. Gerade beim ersten Kind ist man gar nicht darauf vorbereitet, dass man sich alle paar Stunden um ein Baby kümmern muss. Dann kommen Fragen auf: Wie halte ich es richtig? Warum weint es jetzt? Was ist zu tun? Die Kinder schreien dann natürlich auch und deswegen ist es am Anfang ganz wichtig, die Sprache des Kindes zu lernen, das Kind lesen zu lernen. Gerade die Frauen, die ganz viele Bücher zu diesem Thema gelesen haben, sind häufig überfordert.
Die Hebamme kann übersetzen und sagen, warum das Kind schreit, Tipps geben. Und meistens hilft das dann auch.
Hast du Tipps zur Pflege einer Kaiserschnittnarbe?
Die Devise ist immer: eher liegen und laufen als sitzen oder stehen. Die Sectio-narbe ist eigentlich immer ein guter Indikator, ob die Frau sich genug ausruht. Auf jeden Fall kühlen, und einfach mehr ausruhen. Homöopatisch kann man mit Arnika gut ran.
Was gilt bei einem Dammriss?
Da machen sich die Frauen im Vorfeld immer ganz viele Gedanken, aber eigentlich ist es so, dass die Wunde nach zwei bis drei Wochen vollständig verheilt ist. Die Wunde macht in der Regel gar keine Probleme. Man kann mit warmem Wasser spülen und eventuell nach circa zehn Tagen ein Sitzbad ausprobieren, das bekommt man in der Apotheke.
Pflegeprodukte für Baby und Mama kann man sich in Drogeriemärkten oder Online Shops kaufen, zum Beispiel bei baby-walz. Welche Grundausstattung sollte jede Mama für das Wochenbett zu Hause haben?
Etwas zu wärmen und zum kühlen, Kirschkern- oder Rapssamenkissen*, Wärmflasche, Quark, Kohl. Eine Erstausstattung fürs Baby, eine Wickelkommode* ist schön, Thermoskanne für warmes Wasser, Schüssel für die Waschlappen, eine Wärmelampe ist auch im Sommer gut. Pflege- und Badeutensilien* fürs Baby.
Und für sich selbst als Mama?
Heilwolle, Lanolin für die Brustwarzen, zB von Lansinoh*, Essen im Kühlschrank und eingefroren. Eine Hühnersuppe in großen Mengen. Malzbier ist gut. Überhaupt essen, das ist wichtig im Wochenbett. Sich essen schenken lassen ist auch super.
Wann sollte ich mich um eine Hebamme kümmern?
Unbedingt frühzeitig. Wir haben in Deutschland einen akuten Hebammenmangel. Es gibt aktuell sehr viele Frauen, die beim ersten Kind keine Hebamme mehr haben. Ich stelle mir das ganz schlimm vor. Ich hab leider ganz oft weinende Frauen am Telefon.
Das Wochenbett ist zwar in der Betreuung sehr wichtig, aber leider auch schlecht bezahlt. Wir bekommen gerade einmal 38,-€ für einen Hausbesuch, egal wie lang der dauert. Niemand sonst fährt für das Geld raus. Ich mach das total gerne, aber ich mach auch weniger, weil ich mich nicht totarbeiten kann.
Eigentlich müsste man demonstrieren gehen. Ich verfolge die Problematik schon seit Jahren aber 2019 herrscht wirklich ein Notstand. Ich habe in der Regel täglich zwei bis acht Frauen, denen ich absagen muss. Weinende Frauen, die fragen „Wen kann ich sonst anrufen?“ und ich sage Ich weiß es nicht.
Ist das ein Problem in den Städten?
Ich glaube, das ist auf dem Land noch viel mehr ein Problem. Aber selbst hier in Köln ist es aktuell fürchterlich. Obwohl wir total viele Hebammen hier haben, aber es sind einfach nicht genug.
Nach wie vor ist der Beruf zwar total beliebt, aber von den originären Hebammentätigkeiten kann man eigentlich nicht überleben. Da muss etwas passieren.
Danke dir liebe Nina für die vielen hilfreichen Tipps!
Mehr Infos über die Hebammenpraxis findet ihr auf der Homepage, dort gibt es auch einen Überblick über die dortigen Kursangebote rund um die Geburt, die eigene Fitness und Babys erstes Jahr.
Nina nimmt übrigens erst wieder Frauen an, die im November ihr Kind bekommen. Wenn du schwanger bist, solltest du dich unbedingt frühzeitig um eine Hebamme für deine Nachsorge kümmern.
* Dieser Artikel entstand in freundlicher Zusammenarbeit mit baby-walz.