Der pure Luxus: Vor mir liegen drei Wochen geschenkte Zeit
Wohoo, was für ein Gefühl! Freiheit! Am liebsten würde ich die Sektkorken knallen lassen! Unser Jüngster, gerade zarte fünf Jahre alt, ist heute das erste Mal seit mehr als neun Wochen wieder „fremdbetreut“! Stolz ist er am Morgen gemeinsam mit seinem Papa losgeradelt. Nicht falsch verstehen: Ich liebe unseren kleinen Nachzügler über alles. Aber ich arbeite auch sehr gerne. Und das war für mich, wie leider bei vielen anderen Frauen, in den vergangenen mehr als zwei Monaten fast nicht möglich.
Unternehmen bietet Notbetreuung für Kinder der Mitarbeiter*innen an
Betreut wird unser Spross nicht in der Kita, die er üblicherweise besucht, sondern in dem Unternehmen, in dem mein Mann arbeitet. Dieser wundervolle, weltweit tätige Familienbetrieb nämlich (sorry, ich bin sonst nicht so pathetisch, aber in diesem Fall muss es aufgrund der besonderen Umstände einfach sein!) hat den Ernst der Lage erkannt, Lösungen gesucht und bietet seit heute eine Notbetreuung für die kleinen Kinder seiner Mitarbeiter*innen an. Vollzeit. Für die kommenden drei Wochen. Allein die Vorstellung ist für mich der pure Luxus nach dieser langen und wahnsinnig intensiven Kinderbetreuungszeit ohne Aussicht auf ein absehbares Ende. Wie ein schöner Urlaub, nur mal andersherum: drei Wochen lang berufstätig sein dürfen inmitten einer von einem fiesen Virus aufgezwungenen Auszeit.
Notbetreuung als Ferienlager schmackhaft gemacht
Gestern, das muss ich zugeben, war ich ziemlich nervös. Und auch ein bisschen melancholisch. Viele Gedanken gingen mir durch den Kopf. Unser Jüngster ist eigentlich ein unglaublich mutiger kleiner Kerl. Er liebt es, in den Kindergarten zu gehen, denn dort sind all seine Freunde. In den vergangenen Wochen aber hing er immer mehr an meinem Rockzipfel. Kein Wunder – er war ja auch mit kurzen Ausnahmen rund um die Uhr mit mir zusammen. Das war eine anstrengende, fordernde – aber in vielen Momenten auch eine schöne Zeit. Würde er nun, ohne mich oder seinen Papa, plötzlich so einfach an einem Ort bleiben, den er gar nicht kennt? Mit Menschen, die er noch nie gesehen hat? Mit scharfen Hygiene- und Abstandsregeln, die er noch nie erlebt hat? Was wird das mit ihm machen? Wir haben es ihm als „Ferienlager“ schmackhaft gemacht …
Wildes Gefühlschaos im Kopf
Außerdem: Setzen wir ihn (und vielleicht auch uns) jetzt einer großen Gefahr aus? Der Gefahr der Ansteckung mit einem, so sagen es die meisten Expert*innen, super gefährlichen, hoch ansteckenden Virus? Dürfen wir das, sollen wir das? Und ich? Würde ich ihn ungehindert ziehen lassen können nach all den kuscheligen Wochen Zuhause? Diesen süßen Knopf, mit dem ich so gerne meine Zeit verbringe – gleichzeitig inzwischen aber auch die dringende Sehnsucht danach habe, endlich wieder zu arbeiten, damit mein mit viel Energie aufgebautes One-Woman-Unternehmen nicht stirbt? Ein ganz schönes Gefühlschaos war das, wenn ich ehrlich bin.
Und dann ist er ganz fröhlich losgezogen
Doch irgendwie habe ich es geschafft, all diese Gedanken über Nacht aus meinem Kopf zu verbannen. Ich konnte unseren Jüngsten ohne weiteres fröhlich ziehen lassen und er ist motiviert, selbstbewusst und fröhlich losgezogen. Ganz selbstständig und groß. Wie wunderbar. Vor mir liegen nun drei Wochen geschenkte Zeit. Viele Tage mit völlig freien Stunden. Wegen Corona wurden alle Vorort-Termine, die ich üblicherweise als freie Journalistin und selbstständige PR-Redakteurin wahrnehme, gestrichen. Vielleicht schaffe ich es, all das nach zu arbeiten, was in den vergangenen neun Wochen trotzdem liegengeblieben ist. Und kann vorarbeiten, was ich nach den drei Wochen vielleicht wieder nicht mehr schaffen werde. Denn wann unsere eigentliche Kita ihre Türen wieder für Kinder wie unseren Jüngsten öffnen wird, ist weiterhin völlig ungewiss…
Über die Autorin
Sigrid Krings ist Mama von vier Kindern und beruflich als freie Journalistin und selbstständige PR-Redakteurin unterwegs. Weil Langstreckenlauf ihre Leidenschaft ist, bloggt sie nebenbei auf www.laufen-an-der-leine.com über das Laufen mit dem Familienhund Lotta. Nach vielen Jahren in Hannover, lebt sie inzwischen im beschaulichen Städtchen Einbeck bei Göttingen und fühlt sich dort pudelwohl.
Liebe Cordula, nach zwei Wochen meines Sohnes in der „Ferienbetreuung“ kann ich sagen: Es tut ihm sehr gut. Endlich hat er wieder andere Kinder um sich herum. Er kannte sie alle nicht, hat sich aber schnell mit ihnen angefreundet. Eine sehr große Umstellung war es für ihn, dass er keines der Kinder berühren darf und alle penibelst den Abstand von 1,5 Metern einhalten müssen. Gemeinsames Spielen ist eigentlich nicht möglich. Das ist für die Kinder wahnsinnig schwer. Aber die Vorschriften verlangen es. Sicher hilft es, die Kinder schon in der Familie darauf vorzubereiten, indem man mit ihnen darüber spricht. Insbesondere Dein Sohn wird es verstehen. Ich drücke Euch die Daumen, dass alles gut klappt!
Ab nächster Woche geht mein Sohn wieder 2x pro Woche in die Schule. Parallel öffnet auch die Kita und ich hoffe, dass die Kleine an denselben Tagen betreut werden kann. Zwei Tage pro Woche wieder „Normalität“ – ich freue mich darauf wie Weihnachten!
Schwingt irgendwo ein ungutes Gefühl mit? Natürlich. Aber ich weiß auch, dass es den Kindern nach Monaten der Isolation wahnsinnig gut tun wird.