MEINE HAUSGEBURT | MEIN WEG ZUR SELBSTBESTIMMTEN GEBURT | TEIL 2
Ihr Lieben, heute folgt Tei 2 der Reise von Janina zu ihrer selbstbestimmten Geburt, die eine Hausgeburt war. Für Janina war das die perfekte Entscheidung. Jede Frau muss und soll natürlich ihren ganz eigenen Weg gehen und eine selbstbestimmte und schöne Geburt ist ebenso in einer Klinik oder in einem Geburtshaus möglich. Für Janina aber ist dieser Weg der richtige gewesen und sie würde es wohl immer wieder so machen. Teil 1 findet ihr HIER
Meine Hausgeburt in Hannover
6 Zentimeter. Das erscheint mir so wenig, als wären die verbleibenden 4 Zentimeter einfach nicht mehr zu schaffen. Ich bin kaputt und müde und stecke wirklich in einem Tief fest. Und so lieg ich da in meinem Pool und sobald ich spüre, wie sich meine Gebärmutter für die nächste Wehe bereit macht, verkrampfe ich mich. Der Schmerz ist einfach so unglaublich intensiv und ich kämpfe mit mir. Ich klagte immer wieder über Schmerzen im Becken, die bis in den Rücken reichen. Es tut so weh, so unfassbar weh. Und es fühlte sich so anders an, im Vergleich zu den zwei Geburten davor. Ich kann es mir nicht erklären, aber der Schmerz ist einfach anders. Dazu dieser starke Druck. Anhaltend und kräftig. Das Gefühl, immer schon mitpressen zu müssen, obwohl der Muttermund noch lange nicht komplett eröffnet ist.
Henry weicht nun nicht mehr von meiner Seite. Er bleibt mit mir in unserem großen Flur, wo mein Pool steht. Er ist einfach nur da und lässt mir Raum. Das stärkt mich. Ihn bei mir zu wissen, tut so gut. Meine liebe Hebamme sitzt währenddessen die ganze Zeit neben mir am Geburtspool. Sie lässt mich sein, und sie lässt mich machen. Sie bedrängt mich nicht und ist einfach da. Allein das gibt mir Kraft und spendet Trost.
Wehe für Wehe. Da hänge ich, im Wasser, und bewegt mich nicht. Ich habe mich ergeben, die Kontrolle verloren. Ich habe Angst vor dem Schmerz, ich habe das Gefühl, ich würde es nicht mehr schaffen. Als hätte ich nicht genug Kraft. Wenn ich eine neue Welle spüre, wimmere ich. „Nein, bitte nein, ich kann nicht mehr, nein!“, sagte ich immer wieder. Mehr zu mir als zu irgendwem. „Nein. Es reicht mir. Ich hab es mir anders überlegt. Ich will nicht mehr!“ rufe ich irgendwann in den Raum. „Nein!“.
Schmerz und Angst.
Meine liebe Hebamme und ihre Kollegin bieten mir Alternativen an. Ich verweigere mich erst einmal, bin nicht bereit und verspüre Selbstmitleid. Ob ich nicht noch einmal ins Bad gehen möchte? Ob ich noch einmal auf die Toilette gehen wollte?, fragen sie. Und so gehe ich noch einmal ins Bad, aber auch hier lässt es sich nicht mehr aushalten. Immer wieder tigere ich durch das kleine Bad, setze mich, stehe wieder auf, setze mich, stehe wieder auf. Und weine. Als ich in den Spiegel schaue, sehe ich, dass meine Wimperntusche im Gesicht verlaufen ist. „Pff, von wegen wasserfest!“, denke ich. Ich schaue aus wie der Joker {aus dem Film Batman} und als ich das Bad verlasse und eine Wehenpause habe, muss ich darüber witzeln und selbst lachen. Ich steige wieder in den Geburtspool. Meine Hebamme fragt mich, ob ich nicht herauskommen mag. Dass es mir bestimmt gut tun würde, wenn ich mich aufrichte und nicht liege. Es kommt eine neue Wehe und ich spanne meinen Körper an, drücke meinen Kopf ganz fest in die Poolwand. Ja, vielleicht ist es gut aufzustehen. Jetzt. So geht es nicht weiter. Ich verspüre Veränderung in mir.
Eine kurze Wehenpause. Ich atme tief durch und stehe auf. Die beiden Hebammen helfen mir aus dem Pool und trocknen mich ab. Ich bin in diesem Moment so dankbar. Es ist schon hell, es ist Tag. Ich denke noch, ich kann mich gut daran erinnern, wie schade ich es finde, dass meiner Hebamme nun nicht einmal mehr die Pauschale für die Nacht zusteht, und das, obwohl sie ja wirklich seit Stunden bei mir ist. Ich tapse langsam ins Wohnzimmer. Auf dem Weg eine weitere Wehe. Ich halte inne, kreise, töne, will nur ganz schnell zur Couch. Jetzt. Sofort.
Ich lege mich hin. Schnappe mir mein großes Stillkissen, klemme es mir zwischen die Knie und denke wieder, nein, ich mag nimmer. „Schluss jetzt, aufhören. Ich gehe, es reicht jetzt wirklich!“, fauche ich. Meine Hebammen sagen, es wäre gut, wenn ich mich auf der Couch aufrichte, damit das Baby die Schwerkraft nutzen kann. Und so knie ich mich hin, mit dem Gesicht Richtung Fenster. Ich schaue auf einmal hinaus, auf meine geliebte Südstadt hinunter. Ich sehe die Straße, die Menschen, ich sehe das Treiben. Eine neue Wehe. Ich wühle meinen Kopf in die Lehne des Sofas und halte aus. Atme mit. Kämpfe. Drücke. Presse. Schreie immer wieder „nein, nein, nein“. Als die Wehe abebbt, schaue ich hinaus und sammle Kraft. Meine Hebamme sagt, ich solle die Wehen doch mal bejahen. Vielleicht würde mir das helfen. Und so brülle ich bei jeder Wehe laut „ja, ja, ja, jaaaaahaaaa“. Ich spüre wie sehr mir das bejahen hilft. Wie es meinem Körper und meinem Kind hilft. Ich kapituliere. Ich lasse jetzt nur noch geschehen.
Völlige Hingabe. Kapitulation.
„Du darfst jetzt pressen, Janina. Es ist Zeit“, sagt sie. Und ich spüre Glück. Es ist soweit. Mein kleiner Sohn ist bald geboren, ich werde ihn bald im Arm halten. Es ist nich mehr lang, es ist so viel geschafft. Und obwohl ich so müde und kaputt bin, ist da so viel Kraft. Ich töne, ich rufe immer wieder laut ja und spüre das Köpfchen, wie es tiefer und tiefer rutscht. Ich spüre, wie das Köpfchen geboren werden möchte. Ganz langsam. Ich spüre aber auch, wie alles unheimlich spannt. Die Hebamme massiert mir in den Pausen meinen Steiß und ich lüge nicht, wenn ich sage, selten hat mir etwas so gut getan. Es verschafft mir Erleichterung. Wehe für Wehe kämpfen wir, mein Baby und ich.
„Irgendwie dauert das dieses Mal ganz schön lange…“, denke ich mir. „Bestimmt kommt es mir nur so vor, er wird gleich da sein“,
sage ich im Stillen zu mir.
Ich schiebe weiter. Ich pruste. Ich schiebe mit all meiner Kraft. Ich denke nicht mehr darüber nach, wie sehr mir das schmerzt. Ich fühle mit jedem Stück Erleichterung und spüre mit jedem Zentimeter, wie sehr ich das schaffen möchte. Kampfgeist. Ich wühle meinen Kopf bei jeder Wehe tief in die Kissen der Couch und presse. Presse mit aller Kraft. Dann spüre ich das Köpfchen. Es kommt. Das Köpfchen kommt ganz langsam. Ich fasse nach ihm und spüre all die Glückshormone. Gleich ist es geschafft.
Ich lege mich auf den Boden. Presse, presse und presse, so fest ich nur kann. Ich nehme all meine Kraft zusammen. Und dann wird er mit ein wenig Hilfe geboren. Es ist 9.59 Uhr. An diesem Dienstag. Mit 5.210 Gramm.
Unser Junge. Da liegt er, auf meinem Bauch. So unfassbar schwer fühlt er sich an, aber ich bin zu erschöpft, um ihn hochzuheben. Ich lege meine Hand auf seinen Rücken und schließe die Augen. Ich bin so unfassbar müde. So unglaublich kaputt. Er liegt da und ist ganz still. Ich halte meine Augen geschlossen, spüre jeden Atemzug ganz intensiv und lausche den Unterhaltungen im Wohnzimmer. Ich höre die Hebammen, wie sie immer wieder sagen, welch großer und kräftiger Junge das ist. Ich höre Henry plötzlich, der sagt, ich hätte ein riesiges Baby geboren. Was reden die da?, frage ich mich. Es kommt nicht bei mir an. Ich fühle mich, als würde ich mich in einer dicken Wolke befinden. Wie in Watte gepackt. Ich höre die Stimmen, aber sie sind gefühlt so weit weg. Ich bin so müde, ich atme tief durch. Dann öffne ich die Augen und schaue meinen Jungen an. Seine perfekten Händchen, seine dicken Ärmchen, diese kleinen schönen Augen. Ich spüre so viel Liebe. Mein kleiner Sohn. Mein Junge. Wir lassen die Nabelschnur viele Minuten auspulsieren, erst dann durchtrennt Henry das nährende Band zwischen mir und unserem Kind.
Wir warten auf die Nachgeburt und ich habe noch immer starke Schmerzen. Anders als bei den Mädchen, ist der Schmerz nach der Geburt nicht direkt verflogen. Im Gegenteil. Es tut weh. Es tut noch immer so unfassbar weh. So sehr, dass ich wieder weine. Ich bekomme etwas gegen die Schmerzen. Wir warten weiter auf die Nachgeburt und letztendlich braucht sie ein wenig Starthilfe. Doch als sie dann geboren ist, entspanne ich mich. Es ist geschafft. Das war es. Ich liege noch länger auf dem Boden auf dem Boden, mit meinem Sohn auf dem Bauch. Weil ich es so möchte. Weil ich ankommen möchte. Kraft tanken muss.
Dann helfen mir die beiden Hebammen auf die Couch. Meine Hebamme nimmt den kleinen Jungen mit rüber, schaut ihn sich an und macht das, was sie tun muss. Als sie ihm eine der Newborn-Windeln anziehen möchte, stellen sie fest, dieser kleine Kerl, passt nicht hinein. Er startet mit Windelgröße 3. Die zweite Hebamme ist bei mir, sie untersucht mich noch einmal und wir alle sprechen miteinander. Es herrscht eine wundervolle und fröhliche Stimmung. Die Sonne scheint ins Wohnzimmer und in unserer Wohnung liegt eine Stimmung in der Luft, die ich nicht in Worte fassen kann. So viel Glück. So viel Liebe.
Die Hebamme lächelt und fragt mich, ob ich gern duschen gehen möchte. Das wäre ja immer sehr schön, wie eine rituelle Reinigung, sagt sie. Oh ja. Unbedingt. Wie Recht sie hat, denke ich.
Ich bin nach jeder Geburt direkt allein duschen gegangen. Das tat mir immer gut. Ich wusch mir dann den Schweiß der harten Arbeit vom Körper und fühlte mich danach frisch und wach. Dieses Mal bin ich allerdings zu schwach. Und so stützt sie mich, wir gehen langsam ins Bad und sie hilft mir beim abduschen. In frische Kleider gehüllt lege ich mich zurück auf die Couch und bekomme mein Baby in meinen Arm gelegt. Er liegt da. Nackig, nur mit einer Windel bekleidet, ganz dicht bei mir an meiner Haut und spüre so viel Glück in mir, dass mir die Tränen fließen. Henry sitzt bei mir und wir halten uns an den Händen. Wie schön. Wie friedlich.
Die Hebammen ziehen sich zurück und wir haben Zeit nur für uns. Gegen Mittag kommt Anni aus der Schule und ist unfassbar aufgeregt. Voller Stolz hält sie das erste Mal ihren Bruder, ein unvergesslicher Moment. Dann kommt mein Papa und auch er begrüßt unseren Sohn, sein sechstes Enkelkind, voller Freude. Ich liege weiter eng eingekuschelt auf der Couch und betrachte all die glücklichen Gesichter um mich herum. „Ja. So habe ich mir das vorgestellt. Genau so!“, geht es mir durch den Kopf.
Die Hebamme verlässt uns gegen frühen Nachmittag. Sie würde im Laufe des Nachmittages noch einmal kommen und nach uns schauen. Mein Vater nimmt das große Kind und Henry und ich sind allein. Nur wir zwei, nein, nur wir drei. Er sitzt einfach bei uns und wenn ich in seine Augen schaue, dann rührt es mich. Ich sehe da Liebe. Und Stolz.
Der 15. August 2017.
Der Tag, an dem unser großer und starker Sohn geboren wurde.
Zu Hause. In unserem Heim.
Aus dem Bauch heraus in unser Herz.
Glückseligkeit.
DIE AUTORIN
Janina ist Mama von zwei Mädchen und dem kleinen OhBoy. Sie lebt in Hannover und hat ihr Herz in Hamburg. Auf ihrtem Lifestyle- und Mom-Blog oh-wunderbar schreibt sie für Frauen, die das schöne Leben lieben. Fashion, Food, Travel und Kids. Ganz normal und doch so anders. Aber immer ehrlich. Ungeschminkt ehrlich, immer mit einer Prise Humor. Janina ist eine Frau, die im Leben steht. Glücklich und angekommen.