Yavi Hameister im Interview | Über Selbstfindung, Hashimoto und Achtsamkeit im Familienalltag
Yavi Hameister ist eine beeindruckende Frau. Die studierte Germanistin, freie Journalistin, Buchautorin, Personal Trainerin, prä- und postnatale Trainerin sowie Ernährungsberaterin lebt mit ihrer Familie in Köln. Auf ihrem Blog teilt sie eigene Rezepte und Workouts, gibt Fitnesstipps, zeigt Outfits, schreibt Alltagsgeschichten und private Gedanken auf. Yavi hat durch die Schilddrüsenerkrankung Hashimoto gelernt, mit Stress umzugehen und dadurch auch sich selbst besser kennengelernt. Unser unheimlich inspirierendes Interview mit Yavi lest ihr hier:
Liebe Yavi, wir fangen so an, wie wir immer Starten: Für die, die dich noch nicht kennen: Wer bist du?
Ich bin Yavi, ich wohne mit meinen Söhnen (2 und 4) und meinem Mann in der Nähe von Köln und arbeite als Content Creator, Podcaster, Blogger, Influencer bzw eigentlich sag ich lieber Sinnfluencer, bin Autorin und abseits von all dem bin ich jemand, der sich immer wieder neu erfindet und schaut, wer bin ich unter all diesen Rollen im Leben. Das ist meine Leidenschaft geworden, meine große Erfüllung. Zu schauen, wer bin ich wirklich? Wer war ich bevor all das kam. Ich finde das ist eine unfassbar schöne Erfahrung, nicht nur Mama, Ehefrau oder Content Creator zu sein sondern einfach nur Mensch.
Das ist die Philosophische Antwort auf deine Frage 🙂
Meine Kindheit hat sehr viel damit zu tun, denn sie war so, wie ich sie für meine Kinder nicht haben möchte. Das ist für mich ein großes Thema. Ich hinterfrage mich immer wieder als Mama und schaue, gebe ich meinen Kindern die nötige Liebe, ein volles Fass Liebe, denn das ist der Nährboden für eine gesunde Zukunft für viele gute Entscheidungen, die sie später treffen werden. Das hat mir gefehlt. Diese Liebe musste ich mir selbst erarbeiten.
Du bist mit deinem Blog und als Autorin erfolgreich, gehst sehr offen mit dir und den Dingen, die dich bewegen um. Wie organisierst du dich?
Ich war schon immer ein Macher-Typ und hab mir erst nach dem Start Gedanken gemacht, wie ich etwas organisiere und nie vorher. Das kann von Nachteil sein, weil man sich manchmal in einem absoluten Chaos wiederfindet. Ich bin auch ein chaotischer Mensch. Aber im Gespräch mit einer Freundin ist mir erst richtig aufgefallen, wie so häufig, wenn man etwas zum ersten Mal ausspricht, dass ich, obwohl ich so chaotisch wirke, unheimlich strukturiert und diszipliniert bin.
Ich kann in diesem Chaos sehr gut arbeiten und schaffe viel. Ich habe eine hohe intrinsische Motivation. Ich folge meinen Visionen und Träumen, meinen Talenten und meinem Herzen. Das hilft mir früh aufzustehen und lange zu arbeiten und alles unter einen Hut bekommen zu wollen.
Ich habe den Willen es zu schaffen, um diese Erfüllung zu erfahren. Ich bin jemand, der sehr nach einem Sinn strebt. Ich weiß nicht, ob ich meinen Sinn auf dieser Erde schon gefunden habe, aber ich will mit Sprache bewegen. Schon als Kind war Sprache mein Ding. Ich konnte selbst noch nicht schreiben, da hab ich meinen Eltern schon ganze Bücher diktiert. Die mussten sie dann aufschreiben. Ich habe Shows vorgetragen, war immer Entertainer.
Ich denke auch häufig nicht darüber nach ob etwas angesagt ist, ob man damit Geld verdienen kann, sondern ich mache einfach. Und hab mittlerweile gelernt, nachdem ein Business entstanden ist, dass ich nicht nur als kreativer Mensch arbeiten kann sondern auch unternehmerisch denken muss. Ich kläre mittlerweile auch Dinge, die mir nicht so viel Spaß machen.
Wie organisiere ich mich? Ich habe festgestellt, dass es wichtig ist sich Hilfe zu holen. Ich habe früh einen Babysitter engagiert, ich hab mich parallel zur ersten Schwangerschaft selbstständig gemacht und kannte es also gar nicht anders, als zu arbeiten. Hab nie länger als eine Woche Urlaub gemacht, aber nicht weil ich den Druck hatte, sondern weil ich es mir nicht anders vorstellen konnte, als zu arbeiten.
Ich habe meine Familie eingespannt und klar kommuniziert, ich möchte ein Leben führen, dass mich glücklich macht auf allen Ebenen. Bin ich erfüllt im Job übertrage ich das auch auf meine Kinder. Ich bin auch super gern manchmal allein mit mir, das gebe ich offen zu.
Meine Kinder sind häufig bei Oma und Opa und so arbeite ich wie viele andere Mamas oder Papas von neun bis vierzehn Uhr, und dann sind die Kinder dran. Die sind dann die Nummer eins für den Nachmittag, und abends setze ich mich vielleicht nochmal an die Arbeit.
Das ist alles machbar. Vor allem ist es die Motivation, die mich antreibt und die Fähigkeit, mich selbst zu führen. Intuition und Spontaneität helfen da.
Du hast über dein Geschäftsmodell in einer deiner letzten Podcast Folgen gesprochen. Wie kam es zu deiner Selbstständigkeit?
Wegen des Jobs meines Mannes sind wir damals nach Schottland gezogen, da war ich in der siebten Woche schwanger, hatte gerade meine Festanstellung als Chefredakteurin gekündigt und war also untätig. Ich hatte auch gar keinen Plan, weil ich wusste, wir bleiben nur zwei Jahre dort.
Da habe ich angefangen, meine Workouts und Rezepte bei Instagram hochzuladen. Ich glaube, es fanden viele Leute spannend, wie sich eine so kleine Frau mit einem so dicken Bauch noch bewegen kann (lacht) und der Account wuchs sehr schnell, vermutlich weil die Leute nicht glauben konnten, was sie sehen. In dieser Zeit kamen auch viele Fragen, wie ich dies und das mache. Ich hab schon immer Fitness gemacht. Ich komm ja nicht aus dem Journalismus, hab dann aber einfach einen Blog eröffnet. Und nach einer Weile kamen die ersten Kooperationsanfragen. Irgendwann war klar, meinen Content kann ich monetarisieren.
Ich verdiene mein Geld hauptsächlich mit Advertorials auf meinen Kanälen, Produktreviews, Kampagnen als Bewegtbild und Fotos, Blogartikel, Podcastfolgen. Das ist das eine. Der Job des Content Creators.
Vor zwei Jahren habe ich mein erstes Buch veröffentlicht, ein Jahr später kam das Zweite. Davon kann ich mir kein Schloss in England leisten, aber darum gehts hier auch gar nicht. Das ist der Vollständigkeit halber aber auch eine Einnahmequelle.
Dazu kommen Vorträge und Workshops, ich war auch eine Zeit lang Fitness Coach. Aber man kann eben nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Mein Fokus lag immer auf der Sprache. Da ist mein Talent. Dafür bin ich auch sehr dankbar. Auch Menschen, die Germanistik studiert haben, können Geld verdienen (lacht).
Gerade dieser Fokus spiegelt sich in all den einzelnen Bausteinen wieder, das passt also zusammen. Ende 2019 ist dein zweites Buch „Happy Hashimoto“ erschienen Wie kam es dazu?
Hashimoto wurde nach der Geburt meines zweiten Sohnes in einer extrem stressigen Phase bei mir diagnostiziert, was häufig vorkommt. Dieses postnatale Phänomen. Hormonschwankungen, große Veränderungen im Körper und dann kam noch Stress dazu. Auf einmal bekommen die Frauen Hashimoto. Es war sehr selbst gemacht, aber meine Situation war auch schwierig. Der kleine war frisch auf der Welt, der große erst zwei, wir sind umgezogen, ich schrieb an meinem ersten Buch, steckte in der finalen Phase. Das Baby war ständig in meiner Trage, hat viel geweint, eine Brustentzündung folgte der nächsten und dann kam Hashimoto. Ich dachte erst, ich hätte Depressionen, weil es mir so schlecht ging. Ich hatte mit Mitte 20 schonmal schwere Depressionen und hab damals die Erfahrung gemacht, dass ich mir das gar nicht erklären konnte.
Und ich konnte mir die neue Situation nicht erklären. Was war los? Wieso komme ich nicht mehr aus dem Bett? Und dann dachte ich an meine Schilddrüse, denn ich hatte seit der ersten Schwangerschaft eine Unterfunktion und hab aber wegen des Umzugs nach Köln die Untersuchung sechs Wochen nach Geburt nicht wahrgenommen. Mein Hausarzt hat daraufhin Hashimoto diagnostiziert. Eine Besserung trat ein, als ich mich sehr intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt habe.
Nach einem Tipp einer Followerin habe ich eine Ärztin aus Berlin kontaktiert, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Immunerkrankungen, Dr. Simone Koch. Ich hatte Glück und konnte während einer Geschäftsreise zu ihr in die Praxis kommen. Frau Dr. Koch hat eine sehr gründliche Anamnese gemacht und da habe ich verstanden, dass man Hashimoto nicht symtomatisch behandeln kann. Wir müssen dorthin zurück reisen, wo Hashimoto entstanden ist. Es entsteht nicht innerhalb einer Woche und auch nicht durch ein Ereignis. Über einen längeren Zeitraum bauen wir einen Turm auf und der bleibt stehen vielleicht für Jahre und nichts passiert. Und dann kommt nur ein kleiner Stein dazu und der Turm fällt zusammen.
Bei mir war es ein Lebensstil, der prädestiniert war zu scheitern. Kein Körper und kein Geist schafft das Level an Emotionen, Druck und Stress, den ich mir über 20 Jahre lang angetan habe.
Ich habe zusätzlich die Ernährung umgestellt, gewisse Stoffe wie zB Gluten haben eine ähnliche DNA wie die Schilddrüse. Aber vor allem habe ich meinen Lebensstil verändert. Habe alles umgekrempelt und den Fokus auf Stressbewältigung gelegt.
Ich war mit meiner eigenen Therapie sehr erfolgreich. Die Ratgeber, die es gibt waren für mich viel zu dogmatisch, viel zu radikal. Haben mich maximal überfordert. Nach einem Jahr lebte ich symtomfrei und die Antikörper waren nicht mehr nachweisbar. Hashimoto ist nicht heilbar und du musst achtsam sein, aber es ist großartig sich von den Beschwerden zu befreien.
Seit der Veröffentlichung meines Buches konnten wir so vielen Menschen helfen, dafür bin ich sehr dankbar. Es ist kein Sprint, es ist ein Marathon. Lass dir Zeit und du wirst wieder Licht finden.
Ich gehöre ja auch zu der Gruppe der Hashimoto-Erkrankten. Kannst du Müttern, die an Hashimoto erkrankt sind, Tipps mit auf den Weg geben?
Rückblickend weiß ich, dass es gut ist, sich damit auseinander zu setzen. Das wichtigste ist: Du bist nicht die Krankheit. Identifiziere dich nicht mit Hashimoto. Betrachte es als einen Teil von dir, nimm es ernst, aber versuch dich immer wieder mit dir zu verbinden und mach dir klar, dass du es auch beeinflussen kannst.
Dazu ist es auch wichtig, nicht in Panik zu verfallen. Jegliches Extrem deiner Emotion führt zu Stress. Und Stress ist ein Immunsystem-Killer. Oberste Prio muss also sein: Das Immunsystem zu stützen und die Hormone wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Manchmal ist es auch nur wichtig zu atmen, zu leben, Wasser zu trinken, zu schlafen, sich auf die Grundbedürfnisse des Menschen zu besinnen.
Milch kann für viele belastend sein, da auch der Darm häufig belastet ist. Wie können wir also den Darm stärken? Man muss verstehen, du kannst nichts isoliert betrachten. Alle Organe spielen zusammen, dann begreifst du, mit deinem Mindest kannst du viel in deinem Körper auslösen.
Rückblickend kann ich sagen, ja es ist schwer aber Hashimoto hat so viel zum positiven verändert. Ich bin verbundener mit meinem Körper denn je. Ich spüre, was mein Körper braucht. Es ist eine Chance und gut zu wissen, der Körper schickt dir ein Signal. „Gib mir was ich brauche und dann kann ich heilen.“
Das hat sicherlich auch damit zu tun, wie du morgens in den Tag startest. Wie sieht euer Alltag aus? Schaffst du dir zwischendurch Me-Time und den ein oder anderen achtsamen Moment?
Für Außenstehende ist es wahrscheinlich immer noch viel, aber ich mache bei weitem nicht mehr das, was ich früher gemacht hab. Ich brauche täglich meinen Sport, mache auf der anderen Seite aber auch viel mehr Pausen als früher. Wenn ich mehrerer Termine am Tag habe, baue ich zwischendurch immer eine Pause ein. Ich nehme mir Zeit für Mahlzeiten, setze mich dafür hin und genieße. Ich nehme nicht mehr so viele Aufträge an und gucke immer, kann ich das stemmen, ohne das mein Leben darunter leidet.
Ansonsten kommuniziere ich klar, was ich brauche. Manchmal brauche ich einfach Stille und muss mit mir allein sein. Die Kommunikation mit meiner Familie und meinem Mann spielt eine wichtige Rolle dabei. Ich brauche zB einen Abend pro Woche, der mir gehört. An diesem Abend lasse ich alles stehen und liegen und kümmere mich nur noch um mich. Sei es mit einer Stunde Yoga oder früh ins Bett gehen oder ich treffe mich mit einer Freundin auf ein Glas Wein. Das entscheide ich jedes Mal intuitiv.
Und das musste ich einfach nur aussprechen. Ich bin froh, dass ich Menschen um mich habe, die das verstehen und mir geben können. Bei mir ist es eine Mischung aus konkreten, geplanten Auszeiten, auch das die Kinder mal für eine Woche bei Oma und Opa sind, oder bspw war ich letztes Jahr eine Woche im Yoga Retreat, das war großartig.
Und dann sind es kleine Pausen im Alltag. Stichwort Achtsamkeit: viele Mütter fragen mich wie schaffst du es 20 Minuten Meditation einzubauen? Ganz ehrlich, das schaffe ich auch nicht immer. Das ist eigneltich immer eine Frage der Priorität, aber auch weil ich verstanden habe, das Meditation nicht immer nur auf die Matte setzen und nichts tun ist, sondern du kannst in vielen Situationen meditieren. Beim Autofahren zB indem du NUR Auto fährst, ohne nebenbei noch wo anders zu sein mit deinen Gedanken. Oder wenn du spülst, dann spülst du. Oder du wischt den Boden, dann wischt du den Boden. Es geht nur darum den Geist auf eine Sache zu lenken und zu beruhigen. Das ist auch eine Form von Me-Time.
Diese Achtsamkeit bringt sehr viel Frieden und Ruhe in deinen Körper. Du merkst, egal wie stressig dein Tag ist, es zählt nur der Moment. Wenn du es schaffst, dich immer auf das jetzt zu konzentrieren, bist du automatisch entspannter. Die Sorgen liegen dann entweder in der Zukunft oder in der Vergangenheit, aber jetzt gerade hast du nichts! Das ist der „Trick“. Zu verstehen, du kannst dir diese Me-Time jeden Tag schaffen.
Aber manchmal muss man auch einfach weg. Ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Manchmal reicht ja auch nur die Lautstärke deiner Kinder, und das ist das normalste der Welt. Es ist völlig legitim zu sagen, ich muss jetzt hier mal weg.
Gerade als Mama steht man ja genau vor dieser Herausforderung, möglichst viel zu schaffen. Stichwort Multitasking. Ich sitze im Auto, dann kann ich ja schnell telefonieren auf dem Weg usw.
Das muss man sich als Mama auch mal bewusst machen, sich diese Inseln zu schaffen. Und Kommunikation ist das A und O, gerade als Mama.
Letzte Frage: Wann bist du besonders gern Mama?
Wenn die Kinder schlafen (lacht). Man weiß, ok ich hab einen weiteren Tag überlebt und die Kinder auch. Aber im Ernst: wir versuchen die Zeit mit den Kindern und den Tag mit den Kindern immer mit einem Gefühl von Liebe zu beenden. Egal wie stressig der Tag war vielleicht abends noch wird, beim zu Bett bringen sprechen wir über den Tag, lenken den Fokus auf die positiven Dinge des Tages.
Am schönsten für mich ist es, wenn ich merke, die Kinder sehen meinen Kern, nicht meine Erfolge oder Misserfolge des Tages. Egal, was mir passiert ist oder wie ich aussehe, sie nehmen mich in den Arm und lieben mich, wie ich bin. In diesen Momenten wird mir klar, ich werde nie eine höhere Form von Liebe erfahren als die meiner Kinder. Bedingungslose Liebe. Und wenn sie mich dann umarmen und ich hab eine unausgesprochene Sorge in mir, gerade mein Älterer der spürt das oft. Und der ist dann ganz viel bei mir.